Das Beringungsjahr 2020
Nachdem in den vergangenen Jahren einzelne Beringungsvorhaben neu etabliert wurden und ein neuer
Kleinvogelfangplatz eingerichtet wurde, galt es 2020 schon Vergleiche anzustellen. Zwar sind diese erst
langfristig aussagekräftig, kurzfristig aber durchaus interessant. In dem vom Coronavirus bestimmten Jahr
ist die Beringung eine Möglichkeit, bei der man allein oder nur mit wenigen Helfern zurechtkommt.
So ergaben die Beringungen im vergangenen Jahr 2020 wieder ein abwechslungsreiches und buntes Bild, allerdings
mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Da das Beringungsjahr in einer gewissen zeitlichen Reihenfolge abläuft,
werden die Arten(gruppen) wieder entsprechend der Jahreschronologie beschrieben.
Waldkauz: Nachdem im Jahr 2018 insgesamt 6 Nistkästen für den Waldkauz neu
aufgehängt bzw. umgehängt wurden, konnten im zweiten Jahr Waldkauzweibchen wieder gefangen werden, da die Partner
zeitlebens zusammenbleiben. Dies gelang auch in drei Fällen, wobei das Gewicht etwas niedriger als im Vorjahr
war. Es lag bei 650-680 Gramm. Kleinsäuger waren wieder reichlich vorhanden, so dass es überwiegend 4er Gelege
gab, nur das neue Weibchen auf dem alten Friedhof in Nordhausen hatte nur 3 Eier gelegt. Dafür begann dort die
Brut spätestens Mitte Februar, denn bereits am 05.04. mussten die 3 Nestlinge im Alter von ca. 22-24 Tagen
beringt werden. In zwei Nistkästen

fanden keine Bruten statt. Am "Junkerkopf" bei Buchholz hatte ein Männchen seinen Tagesein-stand. Mit einem
Gewicht von 428 Gramm war es deutlich leichter als alle Weibchen. Die Beringung der Nestlinge verlief 2020
einmal mit einer der befürchteten Attacken vom Brutweibchen (Bild 1). Am Espenberg bei Ilfeld war das Weibchen
EA 200607 bereits im Vorjahr recht aggressiv, griff aber in diesem Jahr richtig an. Eine Erkenntnis gab es
danach: Die Schutzausrüstung muss verbessert werden!! Zum Glück sind nicht alle Brutweibchen so aggressiv,
dass sie richtig angreifen. Trotzdem hat man ein ungutes Gefühl, wenn ein Altvogel den Beringer außerhalb des
eigenen Sichtbereiches fixiert. Insgesamt konnten 20 Waldkäuze beringt werden, davon 18 Nestlinge. Als die
letzte Brut beringt werden sollte, schaute bereits ein Nestling aus dem Flugloch. Möglicherweise hatte der
älteste Jungkauz (von 4) den Nistkasten an der Gedenkstätte Dora am 09.05. bis zu diesem Tag schon verlassen.
Einen unerwarteten positiven Nebeneffekt haben die angebrachten Nistkästen. Von den gegenwärtig 6 Nistkästen
waren im Sommer 4 von Hornissenvölkern bewohnt, nachdem die Jungkäuze üblicherweise Anfang/Mitte Mai die Kästen
verlassen.
Raufußkauz: Im vergangenen Jahr hatte ich von gravierenden Veränderungen in den Brutrevieren berichtet.
Das Jahr 2020 war bezüglich Trockenheit und vor allem massivem Borkenkäferbefall nahezu verheerend. Bei
einzelnen langjährigen Brutrevieren ist der Fichtenwald nicht mehr vorhanden und zwar in einer Größenordnung,
die beinahe in Quadratkilometern angegeben werden kann!! So werden wohl von den umgehängten Nistkästen im
folgenden Jahr wieder einige einen neuen Platz finden müssen. Ein Revier ist bereits verloren, in zwei weiteren
ist die Lage prekär. Es wird trotzdem interessant, wie sich die Art den großen Veränderungen gegenüber verhält.

Die Nahrungssituation in den Wäldern war offenbar wieder recht gut. In den Kastenrevieren wurden 5 Bruten
gefunden, hinzu kam eine Brut in einer Schwarzspechthöhle in trockener Solitärbuche im Revier Birkenmoor.
Nachdem im letzten Jahr ein deutlicher Überschuss an Männchen festgestellt werden konnte, waren in diesem Jahr
wohl viel mehr Weibchen in der Region anwesend. Das ausreichende Mäuseangebot tat sein Übriges dazu. Der Balz-
und Brutbeginn erstreckte sich aber über einen relativ langen Zeitraum. Darum wurde auch kein Fang der Männchen
vorgenommen, da längere Zeit nicht sicher erkennbar war, welcher Kasten angebalzt wurde.
Von den 5 begonnenen kontrollierbaren Bruten waren leider nur 2 erfolgreich. Zwei Nistkästen wurden von
Baum-marder geplündert und ein Brutweibchen wurde vermutlich Opfer eines Prädators. Dennoch konnten alle
Weibchen zwischen dem 07.04. (Bild 2) und 13.05. beringt werden. Bemerkenswert war eine Brut an der Kloppgasse,
bei der unter einem 6er Gelege 4 taube Eier waren. So sind von den 5 begonnenen Nistkasten-bruten nur 6 Jungvögel
übrig geblieben, die am 26.05. einen Ring erhielten. Eine recht schlechte Quote.
Da in den nächsten Jahren mit weiteren Verlusten an Fichtenwaldflächen auf Grund Borkenkäferbefall zu rechnen ist,
bleibt es wohl dabei, die Nistkästen an geeignete Plätze zu hängen. Damit im Zusammenhang ist es spannend,
die Nutzung der veränderten Nistplätze zu verfolgen. Auch soll der Fang von Männchen wieder fortgeführt werden.
Dazu steht die verbesserte Fangtechnik zur Verfügung, um die Vögel gleich beim ersten Versuch zu fangen.
Kleinvogelfang an den Steinbrücker Teichen: Obwohl die örtlichen Voraussetzungen alles andere als gut
waren, wurden an 4 Tagen die Netze im Ostbecken der Teiche gestellt. Die Fangaktion begann am 30.04. recht gut
bei relativ angenehmer Witterung. So konnte ein recht ergiebiges Artenspektrum gefangen und beringt werden.
Darunter waren Blaukehlchen,

Schafstelzen, Schilfrohrsänger und erstmals ein früher Steinschmätzer (Bild 3). Die Größe des Vogels in der
Hand überraschte dabei am meisten. Dagegen hatten wir bei dem Trupp von Flussregenpfeifern, die ständig an
der Schlammkante flogen kein Glück. Das Wetter an den restlichen Tagen war ziemlich ungemütlich. Oftmals windig,
sehr kühl und zeitweise mit Nieselregen ließ den Fangerfolg deutlich zurückgehen und uns zeitweise ins etwas
gemütlichere Auto flüchten. Eine Spätsommeraktion war nicht geplant, da vorhersehbar war, dass der Wasserstand
weiter fallen würde. Die im letzten Jahr gewonnenen Erfahrungen haben mich zu dem Entschluss bewogen, an den
Steinbrücker Teichen zukünftig keine Fangaktionen durchzuführen.
Dohle und Turmfalke: Nachdem 2016 die Brutkolonie der Dohlen im Anhydritwerk Niedersachswerfen durch den
Abriss des Gebäudes verloren ging, hat sich die Situation in 2020 weiter verschlechtert. So wurden in
Niedersachswerfen 12 Bruten begonnen (2x Schule, 6x Anhydritwerk, 4x Bauhof), von denen 11 erfolgreich verliefen.
Hinzu kamen 5 Bruten in Harzungen.
Die Zahl flügger Jungvögel sank auf den schlechtesten Wert der letzten 10 Jahre. Vor allem der Bruterfolg in
den Nistkästen im Anhydritwerk war wieder sehr gering. Hinzu kam eine schlechte Quote in Harzungen, wo ansonsten
häufig die besten Werte ermittelt wurden. Zu den möglichen Ursachen gibt es keine Erkenntnisse. So konnten in
der Zeit vom 22.05. bis 26.05.20 die Jungen von 16 Bruten (2x Schule, 5x Anhydritwerk, 4x Bauhof, 5x Harzungen)
insgesamt nur 38 Jung-

dohlen (2x1, 8x2, 4x3, 2x4) beringt werden. Mit einem Durchschnitt von 2,38 juv./erfolgreiche Brut war der
Bruterfolg so gering wie lange nicht mehr. Eine mögliche Ursache könnte in dem wiederum sehr trockenen Frühjahr
2020 gelegen haben. In den nächsten Jahren bleibt abzuwarten, ob sich der Bruterfolg bei den Bruten wieder
verbessert. Positiv konnte festgestellt werden, dass sich eine weitere Kolonie (10-12 Paare) am Gebäude des
alten Umspannwerkes in Salza entwickelt hat, wo eine Beringung allerdings schwer möglich ist.
Die wiederum gute Nahrungssituation ließ viele Turmfalkenpaare zur Brut schreiten und das mit hohen Gelegegrößen.
In einer ganzen Reihe der in den Kirchen angebrachten Nistkästen fanden Bruten statt. Hinzu kamen Bruten an
anderen Örtlichkeiten (z.B. Schornsteine und Sendemasten). Leider konnte eine ganze Reihe von Turmfalkenbruten
nicht beringt werden, da einerseits keine Rückmeldungen der Betreuer eingingen und andererseits im westlichen
Teil des Kreises Stefan Bust (neuer Beringer im Eichsfeldkreis) ohne Absprache Turmfalken beringte. Dies muss
im kommenden Jahr rechtzeitig und besser abgesprochen werden.
Schon im letzten Jahr zeigte sich, dass die Bruten recht spät und über einen langen Zeitraum begonnen wurden.
So war es auch in 2020. In der Zeit vom 09.06. bis 24.06. konnten lediglich 25 Jungfalken von 5 Bruten -
vorwiegend aus der Umgebung von Niedersachwerfen - beringt werden. Bei 2x4, 1x5 und 2x6 Jungen lag der
Durchschnitt bei genau 5,0 juv./erfolgreiche Brut. Dieser Wert unterstreicht die Einschätzung, dass das
Nahrungsangebot wohl mehr als durchschnittlich gut gewesen ist.
Kleinvogelfang an der Wipper: Durch die tatkräftige Unterstützung der Jagdgemeinschaft Bleicherode haben
wir nun im 3. Fangjahr voraussichtlich die endgültigen Netzstandorte gefunden. An fünf Standorten stehen jetzt
81 Meter Netzstrecke, wobei mittlerweile alle alten Netze durch 7 neuere Netze ersetzt wurden, die auf Grund
größerer Fangtaschen einen besseren Erfolg versprechen. Als bedeutendste Neuerung gilt aber die Nutzung eines
robusten, sehr stabilen Gartenpavillons, der von Ende April bis Mitte September ständig vor Ort bleibt und auch
für die eine oder andere spontane Wochenendaktion genutzt werden kann.
Das Artenspektrum war ähnlich reich wie im Vorjahr, wenngleich keine Wendehälse - wie erhofft - gefangen werden
konnten. Auch bei einigen, sonst häufigeren Arten, z.B. Heckenbraunelle oder Klappergrasmücke waren die Zahlen
deutlich geringer. Dagegen waren Gartengrasmücken

häufiger und Braunkehlchen erstmals vertreten. Bereits bei der Frühjahrs-aktion (06.-10.05.) war das Spektrum
ähnlich reichhaltig wie im Vorjahr. Spektakulär war der erste Tag, als erstmals ein Grauspecht (Bild 5) gefangen
wurde. Dabei war für mich neu, dass die Altvögel eine rosa Iris besitzen. Besonders erwähnenswert war der
Wiederfang der Nachtigall PC 35357 (Bild 6), die als Brutvogel am 09.06.2019 beringt wurde. Nach dem
Winteraufenthalt in Zentralafrika wurde der Vogel exakt am gleichen Platz (über der Wipper) am 06.05. und
nochmals am 05.06. gefangen. Das Netz über der Wipper brachte zudem wieder die "üblichen Verdächtigen" für diesen
Platz. Allerdings wurden übers Jahr deutlich weniger Wasseramseln beringt als im Vorjahr. Möglicherweise lag der
Grund darin, dass unter der nahe gelegenen Brücke an der Kläranlage keine Brut stattfand. Allerdings wurden 3
adulte Vögel aus dem Vorjahr gefangen.
Bemerkenswert im Artenspektrum waren 6 Feldschwirle an zwei Tagen und 8 Gartengras-mücken vom 06.-10.05.
Darunter war auch ein Wiederfang von VG 39803 nach exakt einem Jahr (beringt am 08.05.2019). Bezüglich der
Feldschwirle dürfte der Fangplatz damit thüringenweit wieder ganz vorn rangieren. Die Zahl gefangener
Teichrohrsänger war etwa vergleichbar mit der Zahl vom

Vorjahr. Die ersten Sumpfrohrsänger waren aus dem Winterquartier zurückgekehrt. Leider konnte kein Wendehals
gefangen werden, obwohl ein Brutpaar den neu angebrachten Nistkasten an der Wipper bezogen hatte. Bei den
Frühjahrsaktionen konnte eine weitere neue Art gefangen werden: Braunkehlchen (Bild 7). Diese ziehen
bekanntermaßen vorwiegend in der 1. Maidekade durch. So konnten am 09.05. die ersten Vögel in den Schilfnetzen
gefangen werden.

Zwischen Frühjahrs- und Spätsommeraktion wurde spontan unterhalb von Kleinfurra an der Wipper eine Wochenendaktion
in der Nähe einer kleinen Uferschwalbenkolonie gemacht. Zwar fingen sich keine Uferschwalben, dafür aber einige
über dem Wasser jagende junge Rauchschwalben, u.a. 3 Eisvögel und überraschenderweise ein diesjähriger
Schilfrohrsänger (Bild 8). Diese Aktion soll in 2021 etwas erweitert wiederholt werden.
Die Spätsommeraktion 24.08.-30.08. sowie 05.-07.09. war geprägt von einigen operativen Änderungen. Gesundheitliche
Probleme, Sturmwarnung und verschobener Urlaub zwangen dazu, an einigen Tagen nur eingeschränkt zu fangen.
Dennoch gelang es, übers Jahr gesehen 15 Eisvögel an der Wipper zu beringen. Bemerkenswert hierbei ist, dass es
keinen Wiederfang aus den Vorjahren gab. Allerdings gelang der Wiederfang von 2 diesjährigen Eisvögeln am 06.09.,
die am 29.08. beringt wurden. In der Zwischenzeit hatten sie ihr Gewicht um ca. 6 Gramm erhöht, was etwa 14% des
Gesamtgewichtes entspricht. Das war wiederum ein Hinweis, dass in dieser Zeit die Jungvögel permanent neue,
ergiebige Nahrungsquellen aufsuchen. Außerdem dürfte 2020 das dritte Jahr in Folge ein gutes Reproduktionsjahr
beim Eisvogel in der Region gewesen sein.

Die Fänge im Netz über der Wipper waren vergleichsweise artenarm. Hier gab es im Spätsommer außer Eisvögel
und wieder gefangenen Wasseramseln kaum andere Arten. Ebenso gab es einzelne Tage, an denen vor allem in den
"Gebüschnetzen" relativ wenig bis fast gar nichts gefangen wurde. Auffällig niedrigere Zahlen im Vergleich zum
Vorjahr gab es besonders bei folgenden Arten: Klappergrasmücke und Heckenbraunelle. Im Gegensatz dazu konnten
bei anderen Arten sehr deutliche Zugtage registriert werden, z.B. bei der Mönchsgrasmücke am 28./29.08. oder
beim Zilpzalp am 05.09.
Zu den bemerkenswerten Vögeln, die während der Spätsommeraktion beringt werden konnten, zählen einige
diesjährige Bluthänflinge, ein Grünspecht und 3 diesjährige Neuntöter. Auch ein kleiner Schwarm junger
Feldsperlinge fliegt nicht so oft ins Netz. Zu guter Letzt musste das älteste Netz (7m) ausgesondert werden,
da eine dicke Schermaus über Nacht die Spannschnur zerbissen und sich dann selbst heillos im Netz verstrickt
hatte.
Als nüchternes Ergebnis des Beringungsjahres bleibt festzuhalten: Es wurden 372 Vögel in 42 Arten beringt.
Auch wenn in 2020 noch einzelne Arten als "gesperrt" eingestuft waren bedeuten die 42 beringten Arten wiederum
einen persönlichen Höchstwert. Zu den beringten Vögeln kamen noch insgesamt 24 Wiederfänge aus dem Vorjahr
hinzu (überwiegend an den Wipper-Schilfwiesen).
Während der Spätsommeraktion stehen wir immer unter Beobachtung einer kleinen Herde Galloway-Rinder auf der
angrenzenden Wiese (Bild 9).

Schließlich möchte ich mich bei allen bedanken, die mir bei der Vorbereitung und Umsetzung der Beringungsaktionen
geholfen haben. 2020 waren das ganz besonders Andreas Hamdorf und Julius Clauß. Danke auch an die
Vereinsmitglieder, die zum Teil erstmals als Beringungshelfer dabei waren: Joachim Scheuer, Paula Schneller,
Yvonne Berg, Sven Schuputz, Romeo Nürnberg und Mario Kofend. Nicht zu vergessen natürlich mein Schatz Petra,
die mir neben den anderen Helfern an vielen Tagen tatkräftig zur Seite stand.
MANFRED WAGNER
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